Herr Dechant, Sie leiten die TelefonSeelsorge Nordoberpfalz seit Anfang an. Können Sie kurz schildern, wie alles begann?
Als mir 1991 die Leitung der TelefonSeelsorge Weiden – so hieß das damals noch – übertragen wurde, waren schon die entscheidenden Weichen gestellt. Die Anregung, in der nördlichen Oberpfalz eine weitere TelefonSeelsorge neben der Stelle in Regensburg zu gründen, ging von einer gemeinsamen Initiative der katholischen und evangelischen Pfarrer und Pfarrerinnen vor Ort aus. Die Verantwortlichen der beiden großen Kirchen haben diese Idee gerne aufgegriffen und zu einer raschen Verwirklichung mit großem Elan beigetragen.
Ich wurde daher herzlich empfangen und tatkräftig unterstützt. Der Leiter der TelefonSeelsorge Regensburg war mir ein wertvoller Ratgeber und mit der Zeit ein guter Freund. So konnten wir schnell drei Ausbildungskurse parallel beginnen und am 1. November 1992 mit dem Dienst am Telefon starten. In diesem Dienstbeginn liegt für mich die eigentliche Geburtsstunde der TelefonSeelsorge Nordoberpfalz. Besonders freut mich, dass sieben Frauen und ein Mann aus der Anfangszeit heute noch Dienst tun. Darunter ist auch die Kollegin, die die erste Schicht in Weiden übernommen hatte.
Froh bin ich, dass es damals gelungen ist, die Kommunen zu einer finanziellen Unterstützung unserer Arbeit zu bewegen. So zeigt sich die Anerkennung für das bürgerschaftliche Engagement, das unsere Kolleginnen und Kollegen leisten. Denn ohne sie gäbe es die TelefonSeelsorge nicht.
Das war sicher für alle eine aufregende Zeit. Wie ging es dann weiter?
Wir hatten ein kleines Ausbildungsteam, und es gelang uns, schnell die Zahl der Kolleginnen und Kollegen zu steigern. Damit sank glücklicherweise die Zahl der Nachtdienste, die ich selbst übernommen habe. Im Lauf der Zeit haben uns nämlich immer mehr Anrufe erreicht, und ich hätte die normale Arbeit im Büro und in der Begleitung der Gruppen neben den Nachtschichten, die damals zwölf Stunden dauerten, nicht mehr geschafft.
Ein wirklicher Durchbruch kam 1997, als eine bundesweite und kostenfreie Telefonnummer eingeführt wurde. Vorher waren ja nur die Gespräche im Ortsnetz Weiden durch den Ortstarif kostengünstig. Nun aber wurden auch Ferngespräche nicht mehr unter Zeitdruck geführt. Es war wichtig, dass die Gespräche nicht auf den Einzelverbindungsnachweisen erschienen: Schließlich sollte niemand in der Familie wissen, dass ein Familienmitglied Unterstützung in einem helfenden Gespräch gesucht hatte
Die Technik hat das Gesprächsaufkommen verändert?
Ja, es gingen viel mehr Gespräche ein, und man konnte ein Problem intensiver besprechen.
Für die Anrufenden war und ist das ein großer Gewinn. Für uns bedeutet das, dass wir noch aktiver als früher auf die Gesprächsstruktur und das Anliegen der Anruferin oder des Anrufers achten müssen. Inzwischen ermöglicht ein intelligentes Routing der Deutschen Telekom, dass Anrufe aus der Region in der Region entgegengenommen werden können, soweit das möglich ist.
TelefonSeelsorge ist von Anfang an medial vermittelte Seelsorge. Insofern war es naheliegend, dass wir ein weiteres Medium für Seelsorge und Beratung hinzu genommen haben: das Internet.
Was waren jenseits der Technik wichtige Veränderungen?
Auch wenn die Grundzüge unserer Ausbildung gleich geblieben sind, haben sich Methoden und Inhalte weiter entwickelt. Ein markanter Einschnitt war die Corona-Pandemie. Sie hat uns gezwungen, weite Strecken unserer Ausbildung via Video- und Telefonkonferenzen durchzuführen. In dieser Zeit ist ein umfangreiches Manual für die Kolleginnen und Kollegen entstanden, das Unterrichtsvorträge erspart und leichter zum Nachlesen geeignet ist als bisherigen Arbeitsmaterialien.
1992 haben wir mit 36 Telefonseelsorgerinnen und Telefonseelsorgern begonnen. Seit Jahren hält sich die Zahl unserer ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen bei knapp über 70. Die neuen, die kommen, füllen die Lücken, die dadurch entstehen, dass Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichsten Gründen ausscheiden. Gemeinsam können wir den Dienstplan füllen. Es erfüllt mich jeden Monat neu mit Respekt und Dankbarkeit, wie dies gelingt.
Wo wird der Weg die TelefonSeelsorge Nordoberpfalz hinführen?
Wir haben in diesem Jahr begonnen, auch per Chat Seelsorge anzubieten. Hier sehe ich ein deutliches Potential, junge Menschen zu erreichen. Für sie ist das Telefonieren ja nicht mehr so vertraut. Natürlich machen mir die Finanzen Sorgen. Die Zuschüsse der Kommunen fließen spärlicher und auch die kirchlichen Träger müssen sparen. In einem kleinen Etat, der auf die Leistung von Ehrenamtlichen setzt, und letztlich nur das finanziert, was deren Engagement sicher stellt, kann man nicht viel einsparen. Die Menschen werden uns weiter brauchen, damit wir mit ihnen Lebensmut finden, ihnen bei der Klärung und Lösung von Problemen helfen und mit ihnen aushalten, was sich gerade nicht durch durch ihre eigene Initiative verändern lässt.
Zum nächsten Teil: TelefonSeelsorge als Gastfreundschaft