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TelefonSeelsorge Weiden/Nordoberpfalz

TelefonSeelsorge als Gastfreundschaft

„Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt“, singen „Die Drei von der Tankstelle“ . Sie singen davon, dass Freundschaft alles überdauert. Menschen sind soziale Wesen, sind auf Andere  angewiesen. Wir brauchen den Austausch und die Wertschätzung durch die Anderen; und das am besten auf  Dauer. Menschen brauchen Nähe und soziale Wärme, um sich entwickeln zu können und nicht seelisch zu verkümmern. Neben glücklichen Verwandtschafts- und Liebesbeziehungen sind Freundschaften eine wesentliche Ressource, um Verstanden-werden, Angenommen-sein und liebevolle Kritik zu erleben. Eine Freundschaft kann gelingen meint Aristoteles, wenn in ihr Gegenseitigkeit, Offenheit und Gleichheit herrschen. Freundschaft muss getragen sein von einem gemeinsamen, übergreifenden Wertekonzept, das die Unterschiede zwischen den Beteiligten aushalten kann. Geht es verloren, droht die Freundschaft zu zerbrechen.

Wir brauchen soziale Kontakte

Es scheint, dass Menschen nach einer geglückten und dauerhaften Paarbeziehung ebenso suchen wie nach einer dauerhaften Freundschaft. Freundschaft ist ein gutes Mittel gegen die Einsamkeit. Deshalb halten manche Ratsuchende bei der TelefonSeelsorge Ausschau nach Freunden. Wer regelmäßig bei der TelefonSeelsorge anruft, hat in kurzer Zeit 70 bis 200 Bekannte mehr. Die hören geduldig zu, sind achtsam und wertschätzend. Selbst wenn sie einmal widersprechen oder sich abgrenzen, fügt das dem Wunsch nach Nähe und Kontakt in der Regel keinen dauerhaften Schaden zu. Es entspricht der Alltagserfahrung, dass der oder die Andere nicht immer Zeit hat oder mit gleichschwebender Aufmerksamkeit da sein kann und will.

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Eine Ikone, auf der die Dreieinigkeit in Form von drei Engeln an einem Tisch dargestellt ist.

Der Wunsch nach Freundschaft wir zur Phantasie

Noch mehr als am Telefon kann im längerfristigen und exklusiven Mailkontakt bei Ratsuchenden und TelefonSeelsorgerinnen und -Seelsorgern die Phantasie einer Freundschaft entstehen. Der Mailer oder die Mailerin schildert Details aus dem eigenen Leben, öffnet sich auf Nachfragen hin und zeigt sich verletzlich und bedürftig. Wer so viel gibt, hat ein Recht darauf ernst genommen und behutsam begleitet zu werden. Weil manche Ratsuchende nach einer Ausgewogenheit in der Beziehung streben, fragen sie nach dem Lebensumfeld, dem persönlichen Hintergrund oder nach Meinungen und Ansichten des Beraters oder der Beraterin. Für ihn oder sie scheint es zunächst wenig zu bedeuten, solche Fragen mehr oder weniger bereitwillig zu beantworten. Es schade ja nicht, etwas Persönliches von sich preiszugeben und damit vielleicht sogar die eigene Kompetenz in den angesprochenen Themen unter Beweis zu stellen. Das im Internet gebräuchliche „Du“ suggeriert zusätzlich Nähe und verkleinert den Abstand zwischen den Mailenden. In Deutschland ist anders als im englischsprachigen oder skandinavischen Raum das „Du“ nicht eine Anredeform neben der es keine andere gibt und wo stattdessen andere Distanzvokabeln zur Geltung kommen („sir“, „lady“). Das „Du“ suggeriert Gleichheit. So nehmen Ratsuchende ohne Aristoteles zu kennen, an, im Mailkontakt sei Freundschaft entstanden. Sie sind offen im Kontakt, man duzt sich und erzählt sich gegenseitig von den Höhen und Tiefen des Lebens. „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt. Ein Freund bleibt immer Freund, auch wenn die ganze Welt zusammenfällt.“ Was im Lied ein Ideal beschreibt, das im Leben oft nicht erfüllt wird, kann als Sehnsucht unausgesprochen im Raum stehen. Die TelefonSeelsorge als beste Freundin, immer mit einem offenen Ohr, geduldig und empathisch, mit vielen klugen Ratschlägen, die man nicht umsetzen muss und trotzdem nicht die Freundschaft verliert – das ist scheint wunderbar zu sein. Doch so ist es nicht. Die Klarheit in den Rollen verlangt, dass sich der TelefonSeelsorger oder die TelefonSeelsorgerin abgrenzt und dem gut gemeinten Freundschaftsangebot widersteht. Im Kontest von Seelsorge und Beratung gibt es keine Gegenseitigkeit oder Gleichheit.

TelefonSeelsorge ist zeitlich begrenzte Nähe

TelefonSeelsorge kann keine Freundschaft anbieten. Sie könnte dieses Versprechen nicht halten und würde Ratsuchenden erneut enttäuschen. Was TelefonSeelsorge anbieten kann, ist Gastfreundschaft. Eine Urerzählung der Gastfreundschaft findet sich in Gen. 18. Da sitzt ein Beduine vor seinem Zelt, sieht drei Reisende auf sich zukommen, begrüßt sie und lässt ein Essen für sie zubereiten. Beim Essen unterhält man sich dann. Wie zum Dank übermitteln sie ihm eine frohe Kunde und gehen ihrer Wege. Der Beduine bleibt zurück am Zelt, verändert durch das, was er erfahren hat. Wer sich an die TelefonSeelsorge wendet, ist Gast auf Zeit. Er oder sie darf im Kontakt sich ausruhen, sich entlasten, Kraft und Stärkung erfahren. Dann ist es Zeit und er oder sie muss sich wieder auf den Weg machen. Mag sein, dass die Begegnung mich verändert, oder auch nicht: für die Zeit des Aufenthalts sind meine Wertschätzung, meine Aufmerksamkeit und mein Angebot, Nährendes anzubieten, gewiss. Nicht mehr, nicht weniger. Mag sein, dass mein Blick dem einen oder der anderen Reisenden folgt und alles Gute wünscht. Meine Gastfreundschaft ist zu Ende.

 

Friedrich Dechant

 

Zum nächsten Teil: Erstens kommt es anders... vor allem, wenn man denkt